(Lesehighlight 2014) Rainbow Rowell – Eleanor & Park (Buchrezension)
Liebe Freunde guter Jugendbücher,
heute habe ich ein Highlight im Jugendbuchgenre für euch, das mich absolut aus den Socken gehauen, in den Wohlfühlbuchhimmel gehoben und mit einem Seufzer sanft wieder in meinen Lesesessel zurücksinken ließ. Dieses Buch, die Geschichte zweier Außenseiter, hat mich zutiefst berührt. Nur einer von vielen Gründen, warum ich meine Eindrücke mit euch teilen möchte. Herzlich willkommen zu meiner ersten Rezension über ein englisches Buch in der Büchernische *tusch*
Eleanor & Park – zwei Welten, eine Liebe.
Eleanor hat es nicht leicht an ihrer neuen Schule. Hänseleien, Beschimpfungen wie „“Big Red“ oder „Raghead“ versucht sie an sich abprallen zu lassen, unsichtbar zu sein, doch das ist wegen ihres auffälligen Kleidungsstils und der roten Lockenmähne gar nicht so einfach. Zum Glück hat sie wenigstens einen Sitzplatz im Schulbus gefunden, sehr zum Leidwesen ihres Sitznachbarn Park. Die beiden schweigen sich an, doch mit der Zeit stellen sie fest, dass ein unsichtbares Band zu wachsen beginnt, ohne dass sie großartig miteinander sprechen. Park merkt, dass Eleanor mehr ist als ein nur irgendein rothaariges Mädchen, das sich seltsam kleidet und den Anfeindungen ihrer Mitschüler und Problemen zuhause stand halten muss.
Rainbow Rowell, schon der Name der Autorin klingt wundervoll. Aber bevor ich jetzt völlig ins Schwärmen gerate (ist sicher schon zu spät oder?), werfen wir wie immer zunächst einmal einen Blick auf das Cover. Ich habe die amerikanische Hardcoverausgabe von St. Martin’s Griffin gekauft, weil mir das bescheidene Motiv so gut gefiel. Auf den ersten Blick wirkte es unspektakulär auf mich, aber im Nachhinein betrachtet harmoniert es wirklich wunderbar mit der Geschichte, welche sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt: zarte Farben, die schlichte Illustration und eine typografische Spielerei – das Cover gibt diese ganz besondere Liebe zwischen zwei so unterschiedlichen Menschen auf seine ganz persönliche Art perfekt wieder. Auch die Verbindung der beiden über die Musik wurde perfekt aufgegriffen. Eine stimmige Symbiose von Design und Story. Super!
Dieses Buch ist ein Herzbuch!
Das letzte Wort ist gelesen. Der Buchdeckel ist wieder zugeschlagen und ein Seufzer steigt in mir hoch, ein zufriedener – wenn auch etwas trauriger Seufzer. Wow, welch ein wunderbares Ende. Welch ein Buch! Schade, dass meine Reise mit den beiden sympathischen Hauptfiguren schon zu Ende ist. Zwei Wochen hat sie gedauert, meine Reise mit Eleanor und Park – und ich kann euch nur eines sagen: Diese Geschichte hab mich völlig verzaubert!
Holding Eleanor’s hand was like holding a butterfly. Or a heartbeat. Like holding something complete, and completely alive. – Seite 71
Ein solches Erlebnis in Worte zu fassen ist schwer, am besten beschreibe ich einfach meinen ersten Gedanken dazu auf. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr 10 gute Bücher gelesen habt – und ich meine richtig gute Bücher – und dann kommt das elfte und plötzlich fühlt es sich an, als ob die anderen zehn verblassen würden. Eleanor & Park ist so ein elftes Buch.
Selbstredend haben es nun alle Folgebücher bedeutend schwerer, weil – was soll danach noch kommen? Bleibt zu hoffen, dass das nicht wieder eine Leseflaute auslöst. Aber zurück zu Eleanor & Park. Dieses Jugendbuch, diese so unendlich schöne Liebesgeschichte hat mich unheimlich tief berührt. Ich konnte es nicht aus der Hand legen – ging einfach nicht – selbst die größte Müdigkeit hatte es dieses Mal verdammt schwer mit mir. Aber woran lag das? Nun – ich konnte mich zunächst einmal sehr gut in Protagonistin Eleanor hineinversetzen, das Gehänsel in der Schule, die blöden Sprüche ihrer Mitschüler – es gibt wohl kaum jemanden, der das nicht aus seiner Schulzeit kennt oder gar selbst erlebt hat. Und wenn man ein mitfühlender Mensch ist, dann leidet man natürlich besonders mit Eleanor mit. Diese befindet sich gerade mitten in der Pubertät, ihre Gefühle und ihr Selbstwertgefühl befinden sich auf einer rasanten Berg- und Talfahrt. All dies stellt die Autorin Rainbow Rowell unglaublich echt und schnörkellos dar.
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Ich liebe dieses Buch! ♥
Das gilt selbstverständlich für alle Figuren des Buches, aber insbesondere natürlich für die beiden Haupthelden. Es ist keine Friede-Freude-Eierkuchen-Story, ganz im Gegenteil. Viel Raum bekommt das Thema häusliche Gewalt. Für ein Jugendbuch sicher ein sehr aufwühlendes Thema. Mehr als einmal war ich wirklich absolut wütend darüber, wie ignorant und blind Eleanors Mutter agierte. Angst macht Menschen so starr und hilflos. Nein, es ist absolut keine heile Welt, in der Eleanor und ihre Geschwister aufwachsen. Die Autorin schafft es mit einer unglaublich dichten, intensiven Schreibweise, Gedanken und Gefühle des jungen Mädchens zu Papier zu bringen. Sie schreibt abwechselnd aus Eleanors & Parks Perspektive, lässt die beiden in manchmal nur aus wenigen Sätzen bestehenden Absätzen agieren. Somit verdichten sich die knappen Kapitel zu einer höchst intensiven Achterbahnfahrt der Emotionen.
Even in a million different pieces, Eleanor could still feel Park holding her hand. Could still feel his thumb exploring her palm. – Seite 72
Eine Liebe, die wahrlich keinen leichten Start hat, eine Liebe ohne Zuckerguss und rosa Herzchen, eine Liebe im Stillen. Ein zartes Band, das in den ersten Kapiteln mehr oder minder nonverbal geknüpft wird: die beiden tauschen nur Musikkassetten und Comics aus, sprechen dabei so gut wie kein Wort miteinander. Die schnellen Wechsel, manchmal über gerade einmal eine Seite, symbolisieren dabei das Ungestüme, die aufflackernde Flut an Gefühlen, welche in beiden Teenagern toben. Die Autorin versetzt mich dabei mit ihrem klaren, einfach gehaltenen Duktus in eine intensive Beziehung zu ihren beiden Hauptfiguren – lässt mich tief in die Gedanken Eleanors & Parks eintauchen. Es fällt wirklich schwer, die beiden los zu lassen – wirklich, wirklich schwer. Nun kann ich auch nachempfinden, was John Green meinte (auch einer meiner absoluten Lieblingsautoren), als er über dieses Buch sagte:
„Eleanor & Park reminded me not just what it’s like to be young and in love with a girl, but also what it’s like to be young and in love with a book.“
Verdammt richtig, John!
Zeitreise in meine Jugend
Dazu kommt, dass Rainbow Rowell mich mit ihrem Jugendbuch auf eine Zeitreise ins Jahr 1986 mitnimmt. Hach ja, da kommen Erinnerungen wieder an die Oberfläche. Kassettenrekorder, Walkman, Schallplatten – das alles erkannte ich aus meiner eigenen Jugend wieder. So hatte ich ständig ein buntes, farbenprächtiges – regelrecht greifbares Bild von dieser Generation vor Augen. Ich bin selbst ein Kind der 80er, auch ich stapfte mit Walkman und diesen klobigen Bügelkopfhörer in die Schule. Nostalgie mag einfach zu beschwören sein, aber sie gut zu beschreiben ist eine Kunst, welche die Autorin mühelos meisterte. Selten habe ich mich mit einem Buch so wohl gefühlt wie mit Eleanor & Park. Schon nach wenigen Kapiteln waren die Seiten nur so von Buchdarts gespickt. Dabei kam ich erstmals in den Genuss, englische Redewendungen zu lesen, die sich gar nicht so ohne weiteres direkt ins Deutsche übertragen lassen – jedenfalls nicht, ohne ein wenig von der Atmosphäre, der Gefühlswelt und dem typischen Flair der 80er Jahre einzubüßen.
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Ein Buch, das meine Seele wärmt wie ein strahlender Sonnenuntergang…
Die Seiten flogen nur so dahin. Stellenweise blätterte ich ein, zwei Kapitel zurück, um die Passagen noch einmal zu lesen und zu genießen, um erneut die Worte durch meinen Kopf gleiten zu lassen. Ich konnte nicht umhin, ein ums andere Mal zu seufzen, so pur, feinfühlig, ach – so warmherzig und authentisch schreibt die Autorin. Es fühlte sich an, als wäre ich ein Teil des Buches, als säße ich Eleanor und Park direkt gegenüber auf einer Bank im Park. Ohne Kitsch, ohne aufgesetzt wirkende Phrasen und mit einer Inbrunst, die mein Herz zum Strahlen brachte, schrieb sich Rainbow Rowell direkt in mein klopfendes Leserherz. Und ich danke ihr verdammt nochmal dafür, denn es ist wirklich lange her, dass mich eine Liebesgeschichte emotional so mitgerissen hat.
„I don’t like you, Park“, she said […]. „I…“ her voice nearly disappeared – „think I live for you.“ – Seite 111
Dabei lese ich romantische Bücher nicht mehr ganz so oft wie früher, als ich mitten in meiner Nicolas-Sparks-Zeit mit einem Buch in der Hand vor mich hinträumte. Die Autorin hat in mir die Liebe für solche zarten Stories erneut geweckt, wobei ich es bezweifle, dass im Moment ein Buch dieses Genres eine Chance bei mir hätte. E&P wirkt immer noch nach, auch heute, drei Tage nach dem letzten Wort. Wehmütig denke ich an meine Zeit mit den beiden zurück, auch wenn es erst ein paar Tage her ist. Es gibt nicht viele Bücher, die ich zu meinen Lesehighlights zähle. Eleanor & Park ist definitiv eines dieser Sterne am Bücherhimmel der Jugendliteratur, die noch lange, lange funkeln werden. Ich werde dieses Buch mindestens noch einmal lesen, alle Worte noch einmal genießen und mir noch einmal jede kleine Geste der beiden Protagonisten einprägen.
Die Botschaft
Aber »Eleanor & Park« erzählt nicht einfach nur eine Liebesgeschichte. Eleanor & Park ist viel mehr als nur eine romantische Begegnung zweier junger Menschen. Die beiden Protagonisten sind wie Licht und Schatten, sie leben in völlig unterschiedlichen Welten und diese Grundlage macht den Reiz dieser Beziehung aus: sich von Vorurteilen zu lösen, hinter die Fassade zu blicken, weit weg von Oberflächlichkeit in den Kern eines Menschen blicken und seine wahre Schönheit im Inneren, im Herzen entdecken. Vor allem Eleanor steht in einer Abseitsposition des Lebens, wächst gemeinsam mit ihren kleinen Geschwistern inmitten eines rückhaltlosen Chaos auf, umgeben von häuslicher Gewalt, einem dem Alkohol zusprechenden Stiefvater und einer ebenso hilflos wirkenden Mutter.
Not everybody has your life, you know, or your family. In your life, things happen for reasons. People make sense. But that’s not my life. Nobody in my life makes sense… – Seite 108
In einer Zeit, in der nach wie vor Body Shaming (ja, solche Begriffe gibt es wirklich), Rassismus, Magerwahn, Essstörungen und Mobbing aufgrund unterschiedlicher Kulturen, Hautfarbe, religiöser Einstellung oder Geschlecht existieren, ist die Story von E & P geradezu ein hochgehaltenes Schild mit dicken, roten Buchstaben darauf: Wer wagt es dir zu sagen, ob du hässlich oder schön bist?Du bist so schön, wie du dich fühlst. Alle Schönheit der Welt nützt nichts, wenn in deiner Brust ein rabenschwarzes, dunkles Herz schlägt. Als Mama eines Pubertiers erlebe ich diesen Druck hautnah mit, mit allen Selbstzweifeln und damit verbundener Unsicherheit. Keine leichte Aufgabe, als Mama. Rainbow Rowell bringt diese inneren Konflikte unglaublich gut zu Papier.
Eleanor was right: She never looked nice. She looked like art, and art wasn’t supposed to look nice; it was supposed to make you feel something. – Seite 165
Ja, das Leben ist manchmal nicht leicht und negative Gefühle schlagen uns entgegen, egal wie alt wir sind. Doch wir haben die Fähigkeit, einen Schutzwall aus Selbstbewusstsein und Wärme im Herzen aufzubauen, der uns Halt und Kraft gibt. Der erste Schritt dazu ist, sich selbst zu lieben und seinen Platz im Leben zu finden.
Rainbow Rowell | Eleanor & Park
St. Martin’s Griffin | 26. Februar 2013 | ab 13 Jahren
Hardcover, 328 Seiten | 9781250012579 | 13,84€
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Mein Fazit: In wenigen Worten? Lest dieses Buch, wirklich, ganz ehrlich. Lest es, erlebt es selbst und fühlt, was ich gefühlt habe. Ich würde mich sehr für euch freuen, wenn ihr Eleanor & Park genauso sehr in euer Herz schließt wie ich. Schon lange nicht mehr fiel es mir so schwer, mich von einer Geschichte und ihren Figuren zu verabschieden. Doch es ist kein Abschied für immer. denn das Gefühl, das dieses Buch in mir auslöste, wird noch sehr lange in mir weiter brennen. Booklove galore!